Reisebericht Warschau

Reisebericht Warschau – bedrückende Historie und spürbarer Wandel

Nun ging es endlich los! Meine Weltreise startete genau an diesem Tag und sollte als erste Station Warschau haben. Eigentlich nur eine Zwischenstation, um nach der Bahnanreise 2 Tage später auf das Flugzeug umzusteigen, entpuppte sich Warschau als eine geschichtlich enorm tiefgründige Stadt.

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Reisezeitraum: Juli 2014 / Dauer: 2 Tage
Geschrieben: August 2014
Veröffentlicht: August 2014

Anreise nach Warschau

Nicht immer ist ein Flug die beste Alternative. Während sicher aus Düsseldorf, München, Frankfurt & Co. die schnellen Direktflüge mit Air Berlin, Lufthansa und Konsorten die beste Wahl sind, ist gerade auch aus Ostdeutschland die Bahn eine sehr attraktive Variante. Für mich ging es daher von Dresden in 8 Stunden via Berlin (von hier sind es 5,5 Stunden) mit dem Europa-Spezial für 59 € nach Warschau.

Start zur Weltreise mit dem Berlin-Warschau-Express

Zwar ist der Komfort aufgrund der recht alten Eurocity-Wagen der polnischen Bahn beschränkt (gefahren wird in den klassichen 6er-Abteilen, Steckdosen o.ä. gibt es nicht), doch immerhin – und das fand ich dann doch überraschend – gibt es noch ein Getränk (Tee, Kaffee, Wasser) und einen Schokoriegel gratis dazu.

Kleine Verpflegung im Zug nach Warschau

Das Stadtbild von Warschau

Wer am Hauptbahnhof „Warschau Centralna“ aussteigt, bekommt gleich einen ersten intensiven und wohl auch überraschenden Eindruck von Polens Hauptstadt. Neben den sicher erwarteten kommunistischen Zweckbauten sowie den aus unseren westlichen Augen stalinistischen Schönheitssünden, reihen sich auch eine Reihe von Wolkenkratzern und modernen Bank- und Versicherungsbauten ein, sodass sich eine definitiv mehr als unerwartet spannende Skyline von Warschau ergibt.

Imposante und überraschende Skyline in Warschau

Aber wie gesagt, nicht alles hier ist neu und glänzt. Das höchste Gebäude der Stadt – bei den Warschauern nicht ganz beliebt – ist immer noch der Palast der Kultur und Naturwissenschaft (kurz: Kulturpalast), den Stalin den Polen nach dem zweiten Weltkrieg „schenkte“. Wer möchte, kann hier auch gegen eine Gebühr hinauffahren und so Warschau von oben genießen.

Das höchste Gebäude von Warschau: der Kulturpalast

My Travelworld Übernachtungs-Tipp
In Warschau habe ich im Hostel Helvetia übernachtet – eine sehr gute Wahl. Unter anderem waren Frühstück, Bettwäsche, große private Schließfächer und sehr gutes Wi-Fi inklusive. Zimmer und Aufenthaltsraum waren modern und gemütlich und auch die Lage war mit rund 15-20 Gehminuten bis zum zentralen Königsschloss sehr ordentlich. Buchen könnt Ihr dieses Hotel direkt bei Booking.com (~).

Die (historische) Altstadt von Warschau

Normalerweise haben Altstädte ja immer eine tiefer gehende geschichtliche Bedeutung. Zwar ist dies auch in Warschau der Fall, doch das „historisch“ in der Überschrift habe ich nicht umsonst in Klammern gesetzt.

Warschau wurde wie so viele andere Städte während des zweiten Weltkriegs komplett zerstört. Während in Deutschland Dresden & Co. von den Alliierten aus der Luft bombardiert wurden, wurde Warschau quasi von der Wehrmacht ausradiert. Hierbei sprechen wir nicht nur von einzelnen Straßenzügen – sondern im Prinzip von einer ganzen Stadt, die vernichtet wurde, als der Krieg quasi schon verloren war und sich die deutsche Armee zurückzog. Hinterlassen wurde ein einziges Trümmerfeld, die Altstadt und umliegende Stadtteile waren dem Erdboden gleichgemacht und hatten faktisch keine Einwohner mehr. Historische Gebäude sind demnach im klassischen Sinne nicht zu finden.

Dennoch ist die Warschauer Altstadt bildhübsch und auf jeden Fall sehenswert. Nach dem Krieg wurden von der gesamten Stadtbevölkerung in Gemeinschaftsaktionen die Trümmer beseitigt und die Grundlage für den Neuaufbau geschaffen. Für diese einzigartige Leistung in Verbindung mit dem attraktiven Erscheinungsbild wurde die Altstadt von Warschau auch 1980 auf die Liste des Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen.

Denkmal zur Aufnahme der Altstadt von Warschau als Unesco-Weltkulturerbe

Und so sieht sie nun aus, gewissermaßen die „neue Altstadt“ von Warschau.

Die historische Altstadt von Warschau, zugleich auch Unesco-Weltkulturerbe

Die historische Altstadt von Warschau, zugleich auch Unesco-Weltkulturerbe

Die historische Altstadt von Warschau, zugleich auch Unesco-Weltkulturerbe

Auch beim zentralen königlichen Schloss wiederholt sich die Geschichte. Nach dem Weltkrieg komplett zerstört und in den Anfangsjahren von Nachkriegs-Polen außer Acht gelassen, wurden in einer jahrelangen Spendenaktion genügend Geld gesammelt, um das Warschauer Schloss in den 70er- und 80er-Jahren wieder aufzubauen.

Das wieder aufgebaute Königsschloss von Warschau

My Travelworld Info-Box
Wer ebenfalls einen guten ersten Eindruck über die Stadt bekommen möchte, dem kann ich die verschiedenen kostenlosen Stadtführungen in Warschau empfehlen. So nahm ich zunächst an einer Tour durch die Altstadt mit Orange Umbrella teil, ehe ich am Nachmittag noch eine Tour mit jüdischem Schwerpunkt bei Free Walking Tours besuchte. Beide waren sehr informativ und kurzweilig. Die Touren sind kostenlos und finanzieren sich durch Trinkgeld.

Kostenlose Stadtführungen starten derzeit immer an der Sigmundssäule / Königlichen Schloss um 11:00, 12:00 und 18:00. Zusätzlich gibt es variierende Themenführungen mit Schwerpunkt Judentum, Warschauer Ghetto oder Kommunismus. Am besten informiert Ihr Euch auf den Websites der beiden Anbieter, Orange Umbrella (~) and Free Walking Tours (~).

Die Warschauer Aufstände

Auch wenn dieser Reisebericht hier keine Geschichts-Stunde werden soll, komme ich an einer weiteren historischen Betrachtung nicht vorbei, da auch die Warschauer Aufstände in der Stadt quasi allgegenwärtig sind – durch Symbole und Figuren. Einer der Aufstände passierte kurz vor Kriegsende, als die noch vorhandenen Warschauer Bewohner der abziehenden Wehrmacht Widerstand leisten wollten. Sie hofften auf die Hilfe der Roten Armee, die bis an Warschau herangerückt war – vergebens. Diese schauten nur zu, die Warschauer zogen logischerweise den Kürzeren und der Aufstand war beendet. Die Folge – siehe oben – die Nazis verwüsteten die Stadt. Während dieser Aufstand, der so genannte Warschauer Aufstand, in rund 40 Jahren kommunistisches Polen keine Rolle spielte, wird dieses Vorhaben und der damit verbundene Mut erst seit den 90er Jahren gewürdigt und geehrt – mit Monumenten (Foto oben) und dem Zeichen PW, was immer wieder in Stadt zu finden ist (Foto unten).

Das Monument zu Ehren des Warschauer Aufstands

Das Symbol PW für den Warschauer Aufstand

Und noch ein Aufstand machte in Warschau Schlagzeilen – der der Juden im Warschauer Ghetto. Dieses befand sich direkt im Zentrum, wobei auch hier heute keine Überreste mehr zu sehen sind. Hier lebten zeitweise bis zu 300.000 Juden, eingepfercht und weitestgehend rechtelos. Als ein Großteil von diesen bereits ins Konzentrationslager Treblinka (auch hier: Ende bekannt) deportiert waren, wagten die Übrigen den Aufstand. Anfangs sogar erfolgreich und überraschend für die Wärter, war aber auch dies letztendlich ein aussichtloses Unterfangen. Wenigstens einige wenige konnten in den Wirren des Aufstandes fliehen. Den 300.000 (plus X) Toten wurde ebenfalls ein Mahnmal gewidmet.

Das Monument zum Aufstand im Warschauer Ghetto

Dieses befindet sich übrigens direkt am Jüdischen Museum, wo die gesamte Historie noch viel ausführlicher nachverfolgt werden kann.

Und weil wir gerade bei Monumenten sind: ebenfalls sehr bedrückend und im historischen Ausmaß einfach schockierend sind die Gedanken, die einem beim Besuch des „Umschlagplatz-Monument“ kommen. Genau an diesem Platz wurden die Juden damals in die Todeszüge hinein getrieben.

Das Umschlagplatz-Monument in Warschau

Der Warschauer Kniefall

Und noch ein geschichtlicher Aspekt muss sein – schließlich ist dieser sehr eng mit Deutschland und den oben erwähnten Ereignissen verflochten. Just an obigem Ghetto-Monument war 1970 Deutschlands Bundeskanzler Willy Brandt zu Gast. Es war der erste Besuch eines deutschen Kanzlers in Polen seit dem 2. Weltkrieg.

Der Kniefall dürfte durch den Geschichts-Unterricht sicher den meisten bekannt sein. Für diese außerordentliche und menschliche Geste, die bei heutigen Politikern wohl (leider) undenkbar wäre, wurde ihm selbst ein Monument errichtet – und der Platz am Jüdischen Museum nach ihm benannt.

Der Kniefall von Warschau - eine bedeutende Geste der deutschen Geschichte

Der Willy-Brandt-Platz in Warschau

Lebensfrohes Warschau

Doch es bringt ja nichts, trotz all der bedrückenden Geschichte den Kopf in den Sand zu stecken. Bei meinem Gang durch die Straßen machte Warschau einen aufgeweckten und aufstrebenden Eindruck – ähnlich wie ich es schon einige Woche zuvor in Sarajevo erlebt hatte. An nahezu jeder Ecke befinden sich Cafés und Bars, die alle auch noch überaus bevölkert sind. Das die Straßen dadurch lebendig wirken, versteht sich von selbst.

Cafes und Restaurants in der Hauptstadt von Polen

Hinzu kommt, dass Warschau sogar natürliche Strände sein Eigen nennen kann – am Fluss der Wisla. Klar, dass es die Einwohner an schönen Tagen hinaustreibt und diese sich hier entspannen.

Die Wisla in Warschau hat sogar einige schöne Strände

Noch dazu hat Warschau einige schöne Parks zu bieten. Besonders gefallen hat mir der Krasinski-Park hinter dem Palast der Republik. Hätte ich nicht ein recht straffes Tagesprogramm gehabt, hätte auch ich hier glatt eine Runde relaxed.

Der Krasinski Park in Warschau

Fazit

Nach einem erlebnisreichen und sehr informativen Besuch konnte ich meinen Tag gemütlich an der Wisla ausklingen lassen – bei einem für Stadtverhältnisse durchaus schönen Sonnenuntergang.

Abschluss eines tollen Tages: ein Sonnenuntergang in Warschau

Schade ist, dass ich lediglich 2 Nächte in Warschau weilte, denn die Stadt hat noch wesentlich mehr zu bieten. Egal ob die vielen interessanten Museen, das etwas andere Praga auf der gegenüberliegenden Fluss-Seite oder einfach nur Entspannung am Fluss, im Café oder in einem der Parks – es würde noch viel zu erleben geben.

My Travelworld Tipp
Zum internationalen Flughafen Frederic Chopin kommt man aus dem Stadtzentrum ganz einfach mit der Linie 170. Sie hält sowohl im Zentrum, an der Universität und am Hauptbahnhof und benötigt rund 40 Minuten. Ein Ticket kostet 4,40 Zloty (ca. 1,10 €).

Doch ich bin mit meiner Tour durch Warschau sehr zufrieden. Sie hat mir einen guten Überblick gegeben und definitiv Lust auf mehr gemacht. Sicher werde ich hier in den nächsten Jahren noch einmal zurückkehren.

Ich bin Christian und liebe das Reisen genauso, wie darüber zu berichten - deswegen dieser Reiseblog. Nachdem ich 3 Jahre im Paradies der Karibik (Insel Grenada) gelebt habe, bin ich mit dem Rucksack um die Welt gereist. Mittlerweile habe ich um die 70 Länder besucht, das Reisefieber ist aber immer noch nicht gestillt. Von 2015 bis 2019 habe ich in der Dominikanischen Republik gewohnt - die Karibik hat es mir sehr angetan - und habe das Land ausgiebig abseits von All-Inclusive und Hotelkomplex erkundet. Seit einigen Monaten bin ich nun als Digitaler (Halb-)Nomade unterwegs und entdecke die Welt, wobei sich meine Home Base weiterhin in der "DomRep" befindet. Für Fragen und Feedback freue ich mich über Eure Kontakt-Aufnahme - am besten per Kommentar unter den jeweiligen Artikel, da es hier auch gleich anderen hilft.
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