Sarajevo – für die meisten wohl keinen Urlaubsgedanken wert, für uns eines der Highlights unserer ersten Balkanwoche. Die Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina besuchten wir gleich für 2 Nächte und konnten so einen beeindruckenden Kontrast aus der schlimmen Historie sowie der absolut aufstrebenden Entwicklung der Stadt wahrnehmen – Einschusslöcher, Nachtleben und religiöse Vielfalt inklusive.
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Reisezeitraum: Juni 2014 / Dauer: 2 Nächte
Geschrieben: Juni 2014
Veröffentlicht: Juni 2014
Inhalt dieses Reise-Artikels
Anreise nach Sarajevo
Eigentlich stand Sarajevo gar nicht auf unserem Plan. Doch „dank“ eines vollständigen Regentags und der damit einzig verbundenen sinnvollen Tätigkeit, Auto zu fahren, spulten wir etwas Kilometer ab und fuhren vom kroatischen Nationalpark der Plitvicer Seen über 300 Kilometer bis nach Sarajevo. Soviel schon einmal für alle, die erwägen, mit einem Mietwagen Bosnien-Herzegowina zu erkunden: schnell voran kommt man auf den Straßen des Landes nicht. Dies liegt vor allem an fehlenden Autobahnen, kurvigen Landstraßen und relativ engen Geschwindigkeitslimits. Nach mehr als 6 Stunden Fahrt erreichten wir dann endlich Sarajevo, was übrigens aus jeder Ecke des Landes bestens ausgeschildert ist.
Sarajevo: Weltkrieg-Auslöser, Olympia und Bosnienkrieg
Wenn man über Sarajevo spricht bzw. schreibt, kann bei aller Reisefreude und geschichtlicher Ausblendung ein kurzer Blick in die Historie nicht fehlen. Dabei ist die Stadt vor allem durch drei verschiedene weltbewegende Ereignisse aufgefallen:
1914: Am 28. Juni fand mitten in der Altstadt von Sarajevo das folgenschwere Attentat auf Franz Ferdinand statt, den Erzherzog Österreich-Ungarns. Er und seine Frau wurden bei einem Besuch in Sarajevo von einem Mitglied der serbisch-nationalistischen Bewegung auf offener Straße ermordet – genau an dieser Kreuzung.
An der Kreuzung zur Lateinerbrücke ist heute ein entsprechendes Denkmal zu finden.
Das Attentat war schließlich der Auslöser für den 1. Weltkrieg.
1984: In diesem Jahr fanden die Olympischen Winterspiele in Sarajevo statt, damals noch als Teil von Jugoslawien. Die Olympiaanlagen von damals werden heute nicht mehr genutzt, verrotten überwiegend und sind überdies vom Bosnienkrieg stark vermint und damit nicht begehbar.
1992-1996: Fast 4 Jahre lang wurde Sarajevo belagert – von den im Bosnienkrieg beteiligten Konfliktparteien. Währenddessen war quasi kein geregeltes Leben möglich – Militär, Heckenschützen, Granateneinschläge, Schusswechsel, Versorgungsengpässe, Schutt und Leichen bestimmten den Alltag und das Stadtbild, ganz zu schweigen von mehr als 10.000 Toten während der Besatzung.
Immobile Zeitzeugen in Sarajevo
Genau von diesem Stadtbild sind heute noch hunderte an Überresten zu sehen. Zunächst sind dies die verfallenen oder zerbombtem Gebäude, die hier und da noch stehen, wenngleich in relativ geringer Anzahl.
Viel häufiger lassen sich jedoch die zahlreichen Einschusslöcher an den verschiedensten Gebäuden erspähen. Dazu muss man nicht einmal suchen, sondern findet sie an nahezu jedem nicht ausführlich restauriertem Gebäude. Es ist bedrückend zu sehen, wie hier über die fast 4 Jahre der Kampf und Krieg getobt haben muss, denn die Einschusslöcher lassen sich so gut finden wie der Sand am Meer.
Manchmal sieht man vor lauter Beschädigung das Gebäude kaum – bei den Gedanken, wie die Bewohner solcher Häuser während der Besatzung gefühlt und gelebt haben müssen, läuft es einem einfach nur kalt den Rücken herunter.
Neben diesen immobilen Zeitzeugen gibt es natürlich auch noch die Bewohner Sarajevos. Alle, die im halbwegs erwachsenen Alter sind, haben den Krieg aktiv miterlebt – er fand ja erst vor ca. 20 Jahren statt. Kaum vorstellbar, dass die Bosnier in meinem Alter im Kindesalter zum Teil in Schutt und Trümmern spielen mussten.
Religiöse Vielfalt in Sarajevo
Dennoch, nicht alles dreht sich in der Stadt um den Krieg und die Vergangenheit. Sarajevo ist derzeit vor allem ein perfektes Beispiel dafür, wie verschiedenste Religionen miteinander leben können.
Bestes Beispiel dafür sind die verschiedenen Kirchen (orthodox und katholisch) sowie Moscheen und Synagogen, hier im Bild die Gazi Husrev Beg Moschee sowie die Herz-Jesu-Kathedrale.
Altstadt: Tel Aviv, Istanbul, Warschau und Innsbruck zugleich
Genau diese religiösen Bauten machen die Altstadt von Sarajevo auch so einzigartig. Zum einen ist es die eben erwähnte Vielfalt der Kulturen, die es zu einem kleinen Jerusalem Südosteuropas macht.
My Travelworld Tipp |
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„Insider – City Tours and Excursions“ bietet eine kostenlose Stadtführung durch Sarajevo an. Sie startet täglich um 16:30 am Büro des Anbieters in der Zelenih Beretki (gegenüber der Lateinerbrücke) und dauert ca. 1,5 Stunden. |
Die Altstadt ist dann ziemlich sichtbar zwei geteilt. Der östliche Part erinnert mit seinen engen Fußgängerzonen, süßen Fachwerk ähnlichen Häusern sowie den vielen Cafés und Teehäusern an Istanbul oder Marrakesch.
Im Gegensatz dazu steht der westliche Teil mit alten Sowjet-Gebäuden, modernen Geschäften wie Technikläden oder Fastfood-Ketten sowie gefühlter grauer Tristesse – irgendwie so stelle ich mir Städte wie Warschau (weit gefehlt, wie sich später im Juli zeigen sollte) oder Kattowitz vor.
Allerdings gibt es etwas, was beide Teile der Altstadt gemeinsam haben. Zum Einen ist dies die Sarajevo durchfließende Miljacka, die dank der überschaubaren Größe und der umliegenden Berge eher alpines Flair zaubert.
Und nicht zuletzt gibt es auch in Sarajevos Altstadt ein aktives Nachtleben, was sich an (überdurchschnittlich) zahlreichen Bars und Cafés zeigt.
Wollt Ihr mehr zur Altstadt und den Attraktionen sowie generell zur Reiseplanung in Sarajevo wissen, könnt Ihr gerne beim Reiseblog Journication vorbeischauen, wo es einen ausführlichen Guide zu den Sehenswürdigkeiten in Sarajevo (~) gibt.
Sarajevo im Wandel
Gerade das aktive Nachtleben ist auch Inbegriff des aufstrebenden Sarajevos, denn die Stadt kann nicht nur historisch oder kriegerisch, sondern auch modern. Manchmal ist der Kontrast sehr extrem, wenn modernes Shoppingzentrum neben zerschossenen Gebäude oder neuer Bankenkomplex mitten in der Plattenbausiedlung steht.
Gerade das macht aber den Charme der Stadt aus – es ist eben keine 0815-Touristenhochburg. Während die typischen Besuchermagnete in Europa vor allem in der Altstadt meistens fein herausgeputzt sind, mag das in Sarajevo manchmal noch ein wenig rustikal sein.
Es bleibt zu hoffen, dass sich Sarajevo – trotz der sicher weiter andauernden Modernisierungen – diesen Charme behält.
Sarajevo von oben
Auch aus der Luft bzw. großer Höhe ist Sarajevo ein wenig anders als die meisten der europäischen Großstädte. Während normalerweise für Fernsehtürme oder Aussichtsplattformen horrende Preise von mindestens 10 oder 20 Euro verlangt werden, ist dies in Sarajevo besonders günstig möglich – für genau eine (bosnische) Mark, was ca. 50 Cent entspricht.
Hierzu gibt es mit dem Avaz Twist Tower – eines dieser oben erwähnten hochmodernen Gebäude – die Gelegenheit, Sarajevo von oben zu sehen. Erreichbar ab der Altstadt zu Fuß (ca. 30 Minuten) oder mit einer der fast schon antiken Tatra-Straßenbahnen (ca. 5-6 Haltestellen bis zum Ende der Linie 1), geht es hier für die besagte Mark hoch in die 36. Etage, von wo aus sich ein perfektes Bild von Sarajevo ergibt. Auch oder gerade erst hier lassen sich einige der auffälligsten Eigenschaften der Stadt beobachten, u.a.
– die tolle Tallage der Stadt, umgeben von zahlreichen Bergen und Tälern und den damit verbundenen schönen Wohngegenden (die im Krieg tragischerweise als Heckenschützen-Postierungen genutzt wurden)
– die nahezu unendlichen Plattenbauten, vor allem im Westen der Stadt
– die immer wieder eingestreuten und zum Teil futuristischen Neubauten
Auch auf dem Tower gilt: die persönliche Stimmung ist zweigeteilt, da man sich zum Einen perfekt vorstellen kann, wie durch die Berge und Täler die Belagerung und der damit verbundene Krieg der Stadt organisiert wurde, zum Anderen begeistert die fast schon einzigartige landschaftliche Lage.
Fazit
Sarajevo ist schon ein wenig extrem und definitiv keine 0815-Stadt. Die Historie bewegt, ist einzigartig und spielt noch heute eine wichtige Rolle. Die Ausmaße gibt es sonst sicher nirgendwo in Europa, vielleicht mit Ausnahme (des ebenso unbekannten) Pristina. Auf der anderen Seite wandelt sich Sarajevo mächtig und wird dies auch weiter tun – gemeinsam mit den lebhaften und hoffnungsvollen Einwohnern der Stadt.
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Ich bin Christian und liebe das Reisen genauso, wie darüber zu berichten - deswegen dieser Reiseblog. Ich habe nicht nur Tourismus studiert und mehr als 10 Jahre bei Reiseveranstaltern gearbeitet (gerne helfe ich Euch bei Eurer Reiseplanung), sondern auch knapp 10 Jahre in der Karibik gewohnt (Grenada & Dominikanische Republik) und bereits mehr als 90 Länder bereist.
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Ich kann dem Text des Reiseberichtes nur zustimmen.
Bin Jahrgang 61 und hatte das Glück 1984 die Olympiade in Sarajevo zu erleben.
War dann das Jahr darauf nochmal dort.Mein dritter Besuch war gleich nach dem Ende des Bürgerkrieges 1996. Es war eine Dienstreise zur Aufbaumesse. Danach folgten noch weitere Dienstreisen und inzwischen private Reisen. Mein 11ter Sarajevobesuch war mit Freunden (die sich auch kein Urlaub dort vorstellen konnten) 2013. Zur Zeit bereite ich meinen Urlaub 2015 in Sarajevo vor. Meine Freunde wollen wieder mit. Ich habe mich
schon zur Olympiade in dies Stadt verliebt. Im kommenden Jahr mache ich eine Ausstellung
zum Thema 20 Jahre nach dem Bürgerkrieg. Sarajevo vor, während und nach dem Bürgerkrieg.
Die Stadt ist wirklich eine Reise wert. Ich entdecke jedesmal neue Dinge. Und die Gastfreundlichkeit ist einfach toll.
Hallo Henry,
danke für deinen Kommentar und die Infos eines Sarajevo-Vielreisenden und -Liebenden. Besonders den Hinweis zu deinen Freunden, die sich dort erst keinen Urlaub vorstellen können, kann ich gut nachvollziehen – so geht es den meisten, wenn sie das erste Mal Sarajevo hören. Doch die Stadt ist in der Tat wunderschön und ich denke, gerade du mit deinen 11 Sarajevo-Besuchen kannst das bestens bestätigen.
Dann lass uns mal noch mehr Reisende von Sarajevo überzeugen … ;-)
LG, Chris